Vor einigen Tagen war ich morgens auf dem Weg zur Arbeit, als ein Obdachloser und sein Hund in die Bahn einstiegen. Er ging von Abteil zu Abteil und fragte die Fahrgäste nach Essen für sich und seinen Hund. Sie seien derzeit obdachlos und könnten in keinem Heim unterkommen, da nur wenige Heime Tiere erlauben würden und diese bereits voll seien. Die meisten Leute reagierten gar nicht, schauten weiter auf ihre Handys und in ihre Zeitungen und taten so als hätten sie ihn nicht gehört.
In großen Städten gewöhnt man sich an die Armut auf den Straßen. Man reagiert nicht mehr auf Bettler, guckt weg und geht weiter. Schließlich kann man sowieso nicht jedem helfen. Arme werden jedoch damit in eine Parallelwelt befördert. Sie leben in ihrer eigenen Welt, sind nicht mehr Teil der Gesellschaft und können kaum wieder in sie zurückkehren. Der Obdachlose in der Bahn wirkte hoffnungslos, er scheint nicht oft Erfolg mit seiner Bitte um Essen zu haben, erwartete gar keine Hilfe. Mit gesenktem Kopf sprach er seine Sätze und trottete direkt weiter ins nächste Abteil. So merkte er nicht mal, dass ihm eine junge Frau eine Banane anbot. Sie hielt die Banane hin und rief ihm nach, als er vorbei ging. Gedankenverloren lief er weiter, hatte die angebotene Hilfe nicht bemerkt.
Bei mir ist er nicht mehr angekommen. Und für einen kleinen Moment habe ich mir gedacht ‚Dann eben nicht.‘ und wollte meinen Apfel wieder einstecken. Als ich dann aber im Hauptbahnhof ausstieg, hab ich mir ein Herz gefasst und mich auf die Suche nach ihm gemacht. Vielleicht hat mich das innerhalb der für Frankfurt so typischen Eile ein paar Sekunden gekostet, vielleicht habe ich dadurch auch meinen Anschluss verpasst. Aber ich bin mir sicher, dass ich mehr gewonnen habe, als verloren.
‚Möchten Sie einen Apfel haben?‘ – ‚Oh, dankeschön, das ist sehr lieb!‘
Ein kurzes dankbares Aufleuchten seiner Augen und schon waren wir wieder im Strom der Menschenmassen untergegangen. Noch in der Mittagspause hat es mich glücklich gemacht, dass mein Apfel einen hungrigeren Bauch gefüllt hat als meinen. Sicherlich habe ich damit keine Heldentat vollbracht, aber Beachtung und Hilfe zeigen sich in kleinen Gesten. Und ab jetzt nehme ich jeden morgen einen Apfel mit und ein bisschen Hundefutter habe ich auch immer dabei, vielleicht sehe ich die beiden ja noch einmal.